Wenig überraschend ist es eine der Lieblingsbeschäftigungen vieler Chefs, immer wieder aufs neue unters Volk zu bringen, wie toll das eigene Produkt doch ist. Im Fall des bayerischen Radiosenders Antenne Bayern geht es um das seit Jahren mühevoll entpolitisierte Wohlfühlprogramm, das sich mit dem eigens kreierten Mantra „Wir lieben Bayern – Wir lieben Musik“ trefflich beschreiben lässt.
Es ist – wie der Spitzname schon sagt – nichts Besonderes, Dudelfunk von der Stange eben, wie man ihn hundertfach in Deutschland hören kann. Einzig, bezeichnet werden will man dann eben doch nicht als Durchschnitt. Und so fühlen sich Sender wie Antenne Bayern dazu genötigt, das eigene Programm besser zu reden, als es ist (und man weiß, dass es nun mal ein Wohlfühlprogramm ist und bleiben soll).
Angela Merkel auf Antenne Bayern
Anlass, sich einmal mehr ins rechte Licht zu rücken, gibt nun eine neue Sendung. Der „Focus“-Gründer und als Partei-Mitglied (FDP) völlig ernst zu nehmende Journalist Helmut Markwort wird ab Sonntag in den kommenden Wochen einen Polit-Talk führen, „Auf ein Wort mit Helmut Markwort“ soll er heißen. Antenne Bayern nennt das Ganze neudeutsch „Kandidatencheck im Radio“. Immerhin: Für den Sender durchaus erfreulich ist die Tatsache, dass neben Horst Seehofer, Christian Ude, Rainer Brüderle und Claudia Roth offenbar auch Kanzlerin Merkel bereit ist, sich mit Markwort zu unterhalten.
Dieses Stelldichein nun beweist laut Antenne Bayern-Chefredakteur Ralf Zinnow gleich zweierlei: Zum Ersten den „Mut“ von Angela Merkel (sich den Fragen eines FDP-Mitglieds zu stellen?). Zum Zweiten, „welchen Stellenwert Antenne Bayern in der Wahrnehmung unserer Hörer und in der Politik genießt“. Dass „die Politik“, wie Zinnow es nennt, daran interessiert sein dürfte, ihre Botschaften über einen sehr reichweitenstarken Sender zu kommunizieren, überrascht allerdings wenig. Interessanter weil gewagter ist die Schlussfolgerung des Chefredakteurs, die Bereitschaft Merkels, ein Radiointerview zu geben, insinuiere, das Programm von Antenne Bayern sei für seine Hörer bedeutsam.
„Vorsprung an Informationskompetenz konsequent ausgebaut“
Diese Aussage ist nur eines: unlogisch. Sie zeugt davon, wie angestrengt die Presseabteilung hier versucht haben muss, die Variable Hörerakzeptanz in diese Mitteilung zu pressen. Wenn man aber schon dabei ist, sich weit aus dem Fenster zu lehnen, kann man gleich noch einmal nachlegen. Zinnow tut das folgendermaßen: „Wie haben unseren Vorsprung an Informationskompetenz konsequent ausgebaut und hier eine deutschlandweit führende Rolle eingenommen.“
Auf Anfrage von radiowatcher ist Antenne Bayern leider nicht bereit, diese zweifellos kühnen Behauptungen zu untermauern. Andererseits: Was ist heutzutage schon „Informationskompetenz“? Für den Sender offensichtlich Folgendes: einmal stündlich Nachrichten verlesen lassen und Verkehrsmeldungen mit dem Prädikat „mit Echtzeitmessung“ versehen. Diese geballte Wahrhaftigkeit dann mit den Zahlen der Radio-Mediaanalyse multiplizieren, kräftig durchkneten – und einen Superlativ generieren, den keiner mehr hinterfragt, weil er zumindest in der Medienbranche bereits so windelweich geplappert wurde, dass jeder für verrückt erklärt werden muss, der hier noch irgendetwas hinterfragt: Informationskompetenz. Glücklich, wer sie sein Eigen nennen kann.
Ecken- und kantenfreies Wohlfühl-Programm
Nun ist es nicht so, dass Antenne Bayern es verschlafen hätte, sich als seriöses Informationsmedium zu positionieren. Vielmehr hat der Sender in den vergangenen Jahren systematisch daran gearbeitet, zum ecken- und kantenfreien Wellness-Programm zu werden. Die letzte ernst zu nehmende Talkshow mit Stefan Parrisius hat man bereits im Jahr 2007 abgeschafft, ein Nachfolge-Format mit Antje Müller-Diestel passte den Programmverantwortlichen nach einer gewissen Zeit offenbar auch nicht mehr ins Informationskompetenz-Konzept. Die Rubrik „Die Bayernreporter“ im Rahmen der Nachrichten zur vollen Stunde sind meist boulevardesk bis völlig belanglos.
Und die Moderatoren? Sie haben notgedrungen gelernt, sich der Stromlinienform des Senders anzupassen. Wundern kann es bei diesem Marketing-Zickzackkurs wirklich keinen, dass Programmchefin Valerie Weber auf Branchen-Veranstaltungen verklausulierte Sätze wie „It’s soul. It’s mood management” von sich gibt, wenn sie von der Vision ihres Lieblingsprogramms erzählen soll. Die meisten, die sich mit derlei beschäftigen, werden in solch schön formulierte Erfolgsrezepte schon irgendetwas Positives hineininterpretieren. Und wenn nicht, ist’s auch egal.
Mit Antenne Bayern ist es letztlich wie mit Sat.1: Eine irgendwo im Programm versteckte (im Fall des Fernsehsenders zumindest: boulevardeske) Polit-Talkshow macht den Sender als solchen nicht glaubwürdiger. Da hilft auch bemühte PR wenig. Dass wenigstens dieses Gesetz noch gilt – man muss dankbar sein!