Normalerweise hört sich die Sendung „Der Abend“, die das Privatradio SAW aus Sachsen-Anhalt von Montag bis Mittwoch zwischen 20 und 24 Uhr ausstrahlt, so an:
Nonstop Superhits aus den 90ern und den Superhits von heute!
Der radio SAW-Abend mit angesagten Moderatoren und viel guter Laune.
So steht es auf der Website. Sie als Hörer kennen diese Art von Programm, es kommt von der Stange, ist gut durchhörbar und ohne nennenswerte Ecken und Kanten.
Was würden Sie nun sagen, wenn dieses Programm plötzlich statt Superhits ein Förderprogramm der Landesregierung vorstellt? Komisch? Genau das ist am vergangenen Montag bei SAW passiert. Es gab also weniger Superhits als sonst zu hören, dafür viel über „STARK III“, mit dem Sachsen-Anhalt Kindertagesstätten und Schulen saniert. Das Ganze hat ziemlich werblich geklungen, wie man hier hören kann:
Erster Studiogast war Finanzminister Jens Bullerjahn (SPD), der sich die Zeit nahm, abends nach 20 Uhr, als kein Mensch mehr Radio hört, einfach so ins Studio zu kommen und ein wenig über eben jenes Thema zu reden, das wohl jedem Bürger von Sachsen-Anhalt derzeit unter den Nägeln brennt: das Förderprogramm. So hat sich das angehört:
Steuergeld für die Sondersendung?
Ein schwer verdauliches Thema in einem Hitradio zur Abendstunde? Es gibt Schlimmeres. Doch es kommt noch besser. Die „Magdeburger Volksstimme“ berichtet nämlich Folgendes:
Der Sender hatte einen guten Grund, Bullerjahn so ausführlich zu Wort kommen zu lassen. Denn das Finanzministerium zahlt für die Sondersendung. Rund 10000 Euro Steuergeld fließen, sagte ein Ministeriums-Vertreter auf Volksstimme-Anfrage.
Überhaupt sei der Auftritt des Ministers im Programm von SAW kein Zufall gewesen, schreibt die „Volksstimme“, sondern vielmehr „eine Vorgabe des Auftraggebers“. Das habe die landeseigene Investitionsbank, die vom Finanzministerium mit der Werbung für Stark III betraut war, bestätigt.
Finanzministerium: „Konzept abgesegnet“
Dass das Finanzministerium und somit er selbst Auftraggeber für das sogenannte „SAW-spezial“ war, wusste Bullerjahn, als er ins Hörfunkstudio kam, schreibt die Zeitung: „Das Konzept für die Öffentlichkeitsarbeit ist von der Hausspitze abgesegnet“, zitiert sie Steffen Volk, den Projektleiter für „STARK III“ im Finanzministerium.
Radio SAW sagt laut „Magdeburger Volksstimme“, dass die Sendung „auf Vorschlag der IB“ produziert worden sei – was an sich natürlich schon ein Armutszeugnis für den Sender ist. Die Investitionsbank sei allerdings lediglich als „Sponsor“ aufgetreten. Für das an SAW gezahlte Geld seien Werbespots produziert worden, die auf das Thema aufmerksam gemacht hätten. Womit offensichtlich diese hier gemeint sind, die direkt zwischen Wortbeitrag und Musik, also im redaktionellen Umfeld und ohne Kennzeichnung als Werbung oder Sponsoring, gesendet wurden:
Ach ja, womöglich als Feigenblatt verirrte sich in die PR-Sendung von SAW dann doch noch diese „erste kritische Frage“, mit der sich der Finanzminister zu befassen hatte:
Schaut man auf die Website des Senders, so fällt auf, dass die Informationen zur Sendung unkritisch, ja werblich gehalten sind:
Die Initiative fair radio findet, dass der Fall „ganz grundsätzlich“ zeigt, „wie dringend notwendig die Diskussion über eine klare und eindeutige Trennung von Werbung, PR und redaktionellen Inhalten im Radio ist“.
Update, 17.09.2015: Radio SAW hat inzwischen eine Pressemitteilung herausgegeben, in der „wir leider feststellen müssen, dass die Zeitung ‚Volksstimme‘ unverändert einseitig über unser Unternehmen berichtet“, wie es heißt. Die letzte Veröffentlichung der Zeitung gebe „Anlass zu folgenden Klarstellungen bzw. Anmerkungen„.