Man muss als Sender seine Hörer natürlich nicht lieben. Als Privatsender schon gar nicht. Aber ein wenig Respekt schadet natürlich nicht. Denn auch Hörer kommen sich irgendwann verschaukelt vor. Dann zum Beispiel, wenn man ihnen etwas verspricht und ganz offensichtlich nicht hält.
Nun will natürlich keiner behaupten, der Sender bigFM hätte seine Fans im Südwesten nicht ganz doll lieb. Am allerliebsten offensichtlich dann, wenn sie brav hinter ihren Empfängern verharren und dem unsäglichen Gelächter der Moderatoren zuhören. Was aber, wenn sich ein paar Hörer ganz plötzlich für einen Job bei ihrem Lieblingssender interessieren? Dann wird es kompliziert… Und die PR ist gut beraten, schnell zu handeln, um das Schlimmste zu verhindern.
Aber der Reihe nach: Vor ungefähr einem Jahr wurde nach einem seltsam anmutenden Casting unter nicht näher geklärten Umständen Daniel Storb zum neuen bigFM-Morningshow-Moderator neben Susanka Bersin erklärt. Einige der unterlegenen Kandidaten des Castings, mit denen radiowatcher jüngst gesprochen hat und die nicht namentlich genannt werden möchten, fühlen sich noch heute verschaukelt und hintergangen und vermuten, dass der Sender bei der Aktion gezielt getrickst hat.
Der Mob der unterlegenen Casting-Kandidaten
Vermutlich um den Mob dieser unterlegenen Casting-Teilnehmer zu beruhigen, erdachte man also kurz nach Ende der Aktion gleich die nächste: „Pochers Eleven“ hieß sie, benannt nach Oliver Pocher, der nun seit mehr als einem Jahr ein Aushängeschild des Senders ist. Die anderen Bewerber sollten, so bigFM damals, „auch ihre Chance bekommen“, denn „ein Anwärter war besser als der andere“. Man gab sich also großherzig, großzügig, nett. Zunächst einmal. Auf der Website von bigFM rechtfertigte man die neue Aktion so:
Denn sie haben immer gute Laune, sie nehmen kein Blatt vor den Mund, sie sind für jeden Spaß zu haben – und deswegen schart Pocher die Besten der Besten um sich und schickt sie in Deine Region!
Zu einer Art Korrespondent, „Netzstürmer“ oder was auch immer wollte bigFM sie nun angeblich machen. Den Hörern versprach man schon einmal:
Als Netz-Reporter kannst Du sie live in Deiner Stadt treffen oder auch hier online ihre Aktivitäten verfolgen und mit ihnen in Kontakt treten. Unterstütze Deinen Lieblingsreporter auf seinen Events und auf seinem bigFM-Profil und sei dabei, wenn er seine Missionen erledigt und sich seinen steinigen Weg ins Showbiz bahnt!
Hört sich alles ganz toll an. Bis hierher.
Hinhalte-Taktik von bigFM?
Über den angeblichen Start der Aktion informierte bigFM die Kandidaten dann irgendwann per Mail, etwa drei Monate nach offizieller Ankündigung des Projekts, um genau zu sein. Schon diese Verspätung wirft natürlich kein gutes Licht auf den Sender. In der Mail, die radiowatcher vorliegt, hieß es damals:
Hallo liebe Pocher’s Eleven, nach langer Planung geht es nun endlich los. Wir würden Euch gerne in das bigFM Studio in Stuttgart einladen. Wir warten momentan noch auf einen Termin, an dem Oliver Pocher auch dabei sein kann, um Euch persönlich bei bigFM Willkommen zu heißen. Deshalb meine Frage an Euch: Wer ist dabei? oder Wer möchte nicht mehr bei Pocher’s Eleven am Start sein?
Wenige Tage später meldet sich einer der Kandidaten, der hier anonym bleiben möchte (Originalkorrespondenz liegt radiowatcher vor), per Mail an bigFM und erklärt sein Interesse, bei der Aktion teilzunehmen. Die Antwort von bigFM auf seine Mail lässt Wochen auf sich warten, sagt er. BigFM selbst antwortet aktuell leider auf keine der von radiowatcher gestellten Fragen, die die Aktion „Pochers Eleven“ betreffen: „Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir Mutmaßungen keinen Raum geben möchten und sie daher auch nicht kommentieren werden.“, sagt die Pressestelle.
Erst nachdem der Kandidat etwa vier Wochen später eine erneute Anfrage startet, erhält er eine kurze, kommafreie Antwort von einem Redakteur von bigFM, die radiowatcher vorliegt:
Hi ich melde mich nächste Woche bei Dir dann habe ich einen Termin.
Jetzt, im Februar 2014, zieht einer der Kandidaten gegenüber radiowatcher Bilanz hinsichtlich der Aktion „Pochers Eleven“:
Es war wirklich eine ganz billige Hinhaltetaktik.
Das sagt Holger Plottke, der den Hörern von bigFM als Casting-Kandidat „Frühstücksholgi“ noch ein Begriff sein dürfte:
Ich war zwei Mal selbst in der Morningshow, einmal durften wir als „VIP“ zum Rheinland-Pfalz Open Air, ansonsten wurde nichts getan. Es ist genauso seltsam wie damals mit diesem Casting.
Die Kandidaten groß rauszubringen und so den ein oder anderen Traum zu erfüllen, war von bigFM also entweder nie geplant – oder eben die Aktion ist grandios gescheitert.
bigFM beendet „Pochers Eleven“ per Mail
Holger Plottke führt es auf seinen auf den Sender ausgeübten „massiven Druck“ zurück,

dass nun vor ein paar Tagen folgende Mail von bigFM an die mitunter sehr verärgerten „Teilnehmer“ der nie wirklich gestarteten Aktion „Pochers Eleven“ gesendet wurde (Mail liegt radiowatcher vor). Man muss ihn Punkt für Punkt durchgehen, um den vollen Gehalt zu erfassen. Die Kommentare stammen von radiowatcher:
Liebe Pochers Eleven,vor knapp einem Jahr fand das Casting für Pochers Eleven statt.
Das ist richtig.
Ihr konntet eure Fähigkeiten on air beweisen und Olli Pocher selbst von eurem Können überzeugen.
Das hört sich toll an, ist aber tatsächlich kaum anzunehmen.
Ein paar von euch waren morgens live zu Gast im Studio, konnten ein Praktikum in der Morningshow absolvieren und war des Öfteren on air.
Das stimmt, wenngleich es unter Umständen dem Sender mehr nützte als den sogenannten „Kandidaten“.
Ihr seid bei uns Meinungspool und werdet regelmäßig zu relevanten Themen angerufen oder seid bei uns in produzierten Elementen zu hören.
Das unterstreicht den Verdacht, dass der Sender den Kontakt zu den „Kandidaten“ nur deswegen suchte, um für sich selbst Kapital herauszuschlagen.
Beim Rheinland-Pfalz Open Air habt ihr von Till eine VIP-Führung bekommen und – was uns sehr freut: Ein sehr engagierter Teilnehmer konnte mit unser Hilfe seine Webradio-Quoten um ein Vielfaches erhöhen.
Gemeint ist hier wohl der Webradiosender von Holger Plottke. Der allerdings erzählt diesem Blog, dass bigFM-Moderator Daniel Storb nie in seiner Webradiosendung zu Gast gewesen sei. Somit sei auch keine „Erhöhung der Quoten“ messbar gewesen.
Leider konnten wir aber kein Treffen mit Olli Pocher realisieren, was uns sehr leid tut. Olli hat so einen vollen Terminplan (TV Auftritte, Song produzieren und Videodrehs in Australien), dass sogar wir immer wieder lange auf Termine warten müssen.
Das ist natürlich bedauerlich, zumal die Aktion ja „Pochers Eleven“ heißt bzw. hieß.
Nach einem Jahr möchten wir das Projekt „Pochers Eleven“ beenden.
Das ist natürlich ebenso bedauerlich, wenn auch vermutlich das einzig Richtige und Vernünftige, um diesem Spuk nun ein Ende zu bereiten.
Für uns war es ein tolles Projekt, in dem wir euch als bigFM Fans näher kennen gelernt haben.
Das kann man kaum glauben, aber in diese Abschiedsmail muss es natürlich trotzdem rein.
Es war eine Freude zu spüren, wie sehr ihr mit dem Sender verbunden seid. Vielen Dank an euch!
Kein Kommentar.
Wir hatten euch versprochen, einen Workshop für euch zu veranstalten, das möchten wir natürlich noch einlösen: Themenauswahl: Auch ein Webradio braucht Aufmerksamkeit! Dieser Workshop vermittelt, welche Schritte für eine Radio-Kampagne durchzuführen sind und wie man auf diesem Weg die Aufmerksamkeit der Hörer steigert. Vorhang auf: Wie man es als Moderator auf die große Bühne schafft.
Ohne den Humor von bigFM zu haben: Das ist, gerade im Hinblick auf die Hoffnungen, die sich viele der Kandidaten gemacht haben, wahlweise eine Frechheit oder einfach nur geschmacklos.
Ach ja, auf die Frage von radiowatcher, ob man die oben zitierte Mail versendet habe, erhalten wir keine Nachricht mehr von bigFM.
Jetzt, wo die Aktion mit einer gekonnten Bruchlandung zuende gegangen ist, darf man sich schon auf die nächste Idee von bigFM freuen. Aber Vorsicht, liebe Redakteure: Der Hörer ist ein gar unberechenbares Wesen, das zur Ehrlichkeit, bisweilen auch zur Zickigkeit neigt und selbst wohldurchdachte Aktionen zu durchkreuzen vermag. Dies Beispiel hier muss genügen.
Jetzt kommentieren